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Einwände gegen zu hohe Reparatur- und Sachverständigenkosten dringen nicht durch

AG Berlin-Mitte vom 14.02.2023, AZ: 21 C 212/22 V
Hintergrund
Vor dem AG Berlin-Mitte klagt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls gegen die einstandspflichtige Haftpflichtversicherung des Schädigers. Klagebegehren sind restliche Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug sowie gekürzte Sachverständigengebühren. Der Streitwert wird vom Gericht auf 440,82 € festgesetzt. Zur Begründung der Kürzung trägt die Beklagte vor, dass Reparaturkosten wie Schutzmaßnahmen vor Ofentrocknung, Farbtonfindung, Karosserielackierungsvorbereitungen und Schutzvorrichtungsschoner zu kürzen sind. Veranschlagte Sachverständigenkosten seien ebenfalls überzogen und somit nicht erforderlich.

Aussage
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf restliche Reparaturkosten, die im Vorfeld gekürzt wurden. Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Im Ausgangspunkt ist der Anspruch auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrages und nicht etwa auf Ausgleich von Rechnungen gerichtet.

Der Geschädigte ist folglich so zu stellen, wie er wirtschaftlich gestanden hätte, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Zwar hat er den wirtschaftlichsten Weg der Schadenbeseitigung zu wählen. Etwaige und sich im Laufe der Reparatur zeigende Mehraufwände gehen infolge des Werkstattrisikos zulasten des Schädigers. „Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbes. Auswahl- oder Überwachungs-)Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt im Vergleich zu dem, was für eine entsprechende Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind, in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann. “In Rede stehende Reparaturarbeiten konnten im Laufe des Verfahrens nachgewiesen werden, ebenso wie angefallene Desinfektionskosten, die tatsächlich mit Beginn der Coronapandemie anfielen. So konnte der Reparaturbetrieb nachweisen, dass mit Beginn der Pandemie alle reparierten Fahrzeuge an sämtlichen Flächen, mit denen die Mitarbeiter der Werkstatt in Kontakt treten, nicht nur gereinigt, sondern unter Verwendung von Desinfektionsmitteln desinfiziert werden, wobei diese Praxis zum Jahreswechsel eingestellt wurde. Bei den Desinfektionskosten handelt es sich um einen pauschalen Betrag. Über die genauen Abrechnungsmodalitäten in Bezug auf Desinfektionskosten wurde der Kunde zwar erst später in Kenntnis gesetzt. Allerdings wurde der Reparaturauftrag auf der Basis erteilt, wo Desinfektionskosten bereits im Gutachten angepriesen wurden. Auch die Sachverständigenkosten sind der Höhe nach erforderlich. Der Schadenersatz gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 umfasst regelmäßig auch sämtliche Sachverständigenkosten.Auch hier hat der Geschädigte keinerlei Marktforschung zu betreiben, um den günstigsten Sachverständigen für den Schädiger herauszufinden. Das Grundhonorar des hier beauftragten Sachverständigen befindet sich innerhalb der BVSKHonorarbefragung, welche regelmäßig von der Rechtsprechung gemäß § 287 ZPO als allgemeine Schätzgrundlage für die Bemessung des üblichen Sachverständigenhonorars herangezogen werden kann. Insofern bestehen keine Bedenken in Bezug auf die Höhe der Vergütung.Auch Nebenkosten stehen im Einklang mit dem JVEG und der Rechtsprechung des BGH vom 26.04.2016 (AZ: VI ZR 50/15). Dabei differenziert das Gericht allerdings bei den Schreibkosten. Zu den Schreibkosten gehört nach der Auffassung des AG Berlin-Mitte nicht das Abdrucken von DAT-Tabellen oder Kalkulationen. Lediglich individuell beschriebene Seiten können als Schreibkosten in Höhe von 1,80 € berechnet werden, Kalkulationen und Tabellen hingegen nur mit 0,50 € wie eine Kopie. Von der Beklagten bereits bezahlte Mietwagenkosten indes übersteigen das arithmetische Mittel aus Schwacke- und Fraunhofer-Liste und sind insofern abgegolten.

Praxis
Wieder ein kleiner Wermutstropfen in Bezug auf die Ausführungen des AG Berlin-Mitte. Sachfremd ist die Argumentation, dass Tabellen und Kalkulationen in der Sachverständigenrechnung nur als Kopie abgegolten sind und keine Schreibseiten seien. Dabei sind sie genauso zu bewerten, wie jede andere Seite des Gutachtens – und zwar als Schreibseite mit 1,80 €. Auch Tabellen und Kalkulationen müssen befüllt werden und sind individuelle Seiten eines Gutachtens.
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